Allgemeines zu Gedichten

In diesem Beitrag möchten wir einen kleinen Einblick geben, auf was man bei der äußeren Form von Gedichten achten kann um ihren Aufbau besser zu verstehen. Besonders im Mittelater hatten verschiedene Arten von Gedichten oder auch der Epik (Romane) genaue Regeln, nach denen man vorging. Man kann sagen, diese Gedichte haben eine "geschlossene Form". Um diese besser zu verstehen und auch umsetzen zu können bedarf es eines gewissen Grundwissen, wie ein Gedicht aufgebaut ist. Man kann auch ohne jegliche Regeln dichten, eine so genannte "offene Form", welche im Hochmittelater aber eher seltener vorkam. 

 

In den folgenden Abschnitten 1. bis 5. beschreiben wir die Punkte, die man allgemein beim aufmerksamen Lesen oder Dichten eines hochmittelalterlichen Gedichts in einer geschlossenen Form auf jeden Fall beachten sollte. Es handelt sich dabei lediglich um eine kleine Hilfestellung, keineswegs um eine umfassende Abhandlung über das Thema.

1. Textgattung

In der Literatur unterscheidet man inhaltlich zwischen drei großen Textgattungen:

 

1. Lyrik

  • Unter Lyrik fällt alles, was man landläufig als "Gedicht" bezeichnen würde.
  • Lyrik sind meist recht kurze Texte in Versform, die meist einer gewissen Struktur unterworfen sind (Strophen, Rythmus, Reime usw.).
  • Ihr Inhalt ist sehr stark "verdichtet" und auf eine kunstvolle Art in Worte gefasst. 
  • Lyrische Werke im Hochmittelalter hatten oft eine Melodie und wurden singend vorgetragen. Man unterscheidet die Begriffe "Weise" (Melodie) und "Wort" (Text). Beide zusammen bilden dann den "Ton". Dieser gibt die musikalisch-metrische Bauform eines Gedichts vor und konnte, abweichend vom Text, auch für andere Lieder verwendet werden, was man Kontrafaktur nennt.  (13) (14)
  • Typische Untergattungen der Lyrik im Hochmittelalter sind das Lied oder die Kanzone (feste Strophenform, meist Liebe als Thema, meist identsich mit dem Minnesang), der Spruch oder Sangspruch (nicht höfisch, didaktisch, polemisch, von fahrenden Berufsdichtern ausgeübt) , der Leich (weltliche oder religiöse Inhalte, keine feste Strophenform, sehr kunstvoll) und der Minnesang (höfische Kunstform, keine Erlebnislyrik, mit dem Ritterstand eng verbunden). (1) (14)

 

2. Epik

  • Epik ist erzählende Literatur.
  • Sie kann in Vers- oder Prosaform auftreten. Im Hochmittelater wurde Epik immer in Versform verfasst.
  • Die übliche Form der Epik im Hochmittelalter ist der Ritterroman.
  • Die Epik fällt in den Bereich der höfischen Dichtung und hat Sagenstoffe aus antiken, orientalischen oder keltischen Quellen zum Inhalt.
  • Die Epik ist eng mit dem Ritterstand verbunden.

 

3. Dramatik

  • Unter Dramatik oder Drama fällt jede Form des Schauspiels oder Theaterstücks.
  • Es kann in Vers- oder Prosaform auftreten.
  • Das Drama spielt im Hochmittelalter keine nennenswerte Rolle.

 

In den folgenden Punkten werden wir uns hauptsächlich der Lyrik widmen.

2. Einteilung

Ein Gedicht hat oft eine besondere Einteilung. Oft besteht es aus einzelnen Abschnitten, die in Liedern und Gedichten oft Strophen genannt werden. In Romanen sind es Kapitel. Jeder Abschnitt besteht aus mindestens zwei Versen oder Zeilen. Jeder Vers besteht aus einer gewissen Anzahl von Silben, die den besonderen Rythmus beim Lesen vorgeben (siehe 4. Metrik). In vielen Gedichten, wie z.B. der Kanzone, sind die Strophen in drei Teile unterteilt, den sogenannten "Stollen". Die ersten beiden Stollen bilden oft eine inhaltliche und metrische Einheit und werden "Aufgesang" genannt. Der dritte Stollen steht ihnen gegenüber und wird oft als "Abgesang" bezeichnet.

 

Jede Unterart der Lyrik in geschlossener Form hat in Bezug auf die Einteilung feste und teilweise sehr unterschiedliche Regeln, sodass hier keine Allgemeine Aussagen für alle Gedichte getroffen werden können. Welche Regeln das im  einzelnen sind, kann man in den einzelnen Unterpunkten zu den Gedichten nachlesen.

3. Reimschema

Als Reimschema bezeichnet man die Regeln, nach der sich meist die letzten Worte von Versen innerhalb eines Gedichts reimen. Man benutzt dafür den Gleichklang unterschiedlicher Worte (Bsp. Haus - Maus). Welche Wörter dabei vom Reim zusammengehören kennzeichnet man durch Kleinbuchstaben (a, b, c, usw.).  Folgende Reimschemen tauchen in hochmittelalterlichen Gedichten häufig auf: (2)

 

  • Paarreim: aa bb
  • Kreuzreim: ab ab
  • Erweiterter Kreuzreim: abc abc
  • Umarmender Reim: abba
  • Schweifreim: aab ccb
  • Kopfreim: abb abb

 

Ritterromane z.B. sind immer in Paarreimdichtung gehalten, d.h. immer zwei Verse direkt hintereinander reimen sich.

 

Theoretisch sind Reimschemen keine Grenzen gesetzt und es gibt auch Formen, wie z.B. die Sestine, die keinen herkömmlichen Reimschema entsprechen und wo es sich mit jeder Strophe ändert.

 

Man unterscheidte bei Reimen u.A. folgende Arten:(8)

  • Reiner Reim: Diese Form ist die eigentliche Definition eines Reimes, nämlich der Gleichklang zweier Worte am Ende eines Verses ab dem letzten betonten Vokal (Bspe: Herz - Schmerz, nieder - Glieder).
  • Unreiner Reim: Der Klang der Reimwörter ist nicht ganz gleich, jedoch sehr ähnlich (Bsp. Eier - teuer).
  • Identischer Reim: man verwendet als reimwort exakt dasselbe Wort noch einmal.
  • Männlicher Reim: Es gibt nur eine reimende Silbe (Bsp.: Haus - Maus).
  • Weiblicher Reim: es gibt zwei reimende Silben (Bsp.: drücken - Brücken)

Es gibt neben Reimen am Ende von Zeilen auch Reime innerhalb einer Zeile wie z.B. der Binnenreim, der Inreim, der Mittenreim, der Mittelreim oder der Schlagreim.

4. Metrik

Die Metrik, auch Versmaß genannt, ist das, was einem Gedicht neben den Reimen oft seinen ganz besonderen Klang verleiht und das Dichten oft nicht ganz einfach macht. Man kann die Metrik mit dem Rythmus bei Liedern vergleichen und man sollte somit versuchen beim Dichten nicht aus dem Takt zu kommen, damit das Gedicht sich  gut anhört  bzw. gut zu lesen ist. Jede Gedichtsform hat dabei ihre eigenen, speziellen Regeln, die man in den einzelnen Unterpunkten nachlesen kann. (2)

 

Die Metrik wird durch die Silben der verwendeten Wörter bestimmt. Dabei unterscheidet man zwischen betonten und unbetonten Silben. Eine betonte Silbe innerhalb eines Verses ergibt beim Lesen eine sogenannte Hebung und eine unbetonte Silbe eine sogenannte Senkung. Man hat somit beim Lesen das Gefühl als würde jemand einen Takt schlagen.

 

Unbetonte Silben bzw. Senkungen werden manchmal mit einem Strich nach unten über der Silbe gekennzeichnet, betonte Silben  bzw. Hebungen mit einem Strich nach oben über der Silbe.

 

Im Mittelhochdeutschen wird zusätzlich noch zwischen langen und kurzen Silben unterschieden. Man erkennt sie beim Lesen daran, dass kurzgesprochene Silben immer mit einem kurzen Vokal enden (a, e, i, o, u). Langgesprochene Silben enden mit einem langesprochenen Vokal (erkennbar an dem ^ über dem Vokal), einem Diphthong (bestehend aus zwei Vokalen, z.B. uo) oder einem Konsunanten. In unserem heutigen Deutsch werden jedoch alle Silben gleichlang gesprochen, was das Dichten und Lesen von Gedichten vereinfacht.

      

Oft kommen Hebungen und Senkungen im Wechsel nacheinander. Man nennt dies "alternierend".

 

Die Einheit die das Vermaß vorgibt ist der sogenannte "Versfuß". Man kann ihn mit einem Takt in der Musik vergleichen, während eine gesprochene Silbe mit einem Ton vergleichbar ist. Ein Versfuß besteht mindestens aus zwei Silben. Die wichtigsten Versfüße in der deutschen Sprache sind: (3)

 

  • Jambus (unbetont - betont, Senkung - Hebung, Bsp.: gè - léhrt)
  • Trochäus (betont - unbetont, Hebung - Senkung, Bsp.: - tò)
  • Anapäst (unbetont - unbetont - betont, Senkung - Senkung - Hebung, Bsp.:  - rà - diés)
  • Daktylus (betont - unbetont - unbetont, Hebung - Senkung - Senkung, Bsp.: K´ö - nì - gìn)

 

Das Ende eines Verses wird als "Kadenz" bezeichnet. Das Wort leitet sich von dem lateinischen Begriff "cadere" ab, der fallen oder stürzen bedeutet. Man unterscheidet zwischen folgenden Kadenzen: (4)

 

  • Männliche oder stumpfe Kadenz: Der Vers endet auf eine betonte Silbe / eine Hebung.
  • Weibliche oder klingende Kadenz: Nach der letzten betonten Silbe folgt nur noch eine unbetonte Silbe / eine Senkung.
  • Reiche oder gleitende Kadenz: Nach der letzten betonten Silbe folgen mehrere unebtonte Silben / Senkungen.

 

Der Beginn eines Verses wird als "Auftakt" bezeichnet. Dabei werden die unbetonten Silben gezählt, die vor der ersten betonten Silbe stehen. Der Auftakt kann fehlen (z.B. bei einem Trochäus), er kann einsilbig oder mehrsilbig sein. (2)

 

 

Tipps für eine schöne Metrik:

  • Hilfreich beim Dichten um ein gewissen Versmaß zu halten ist z.B. das Zählen von Silben in einem Vers. Verse, die zusammengehören sollten immer die selbe Anzahl an Silben haben. Bei manchen Gedichtsformen ist sie sogar fest vorgegeben.
  • Man muss darauf achten, dass Silben, die in der Alltagssprache betont bzw. unbetont sind im Vers auch betont bzw. unbetont bleiben. Ändert man die Betonung zerstört man die Metrik und der Leser "stolpert" beim Lesen.
  • Man kann die Metrik in einem Vers durch Füllwörter oder Metaplasmen erhalten. Füllwörter sind meist kurze Wörter, die eine Zeile mit Silben füllen ohne deren Sinn zu ändern (Bsp.: Statt "schön" schreibt man "lieblich schön" oder "wunderschön" um zwei zusätzliche Silben zu erhalten). Metaplasmen sind Umbildungen eines Worts, die in der gesprochenen Sprache möglich sind um Silben einzusparen bzw. zu erschaffen oder die  Metrik oder den Reim zu erhalten (Bspe.: Statt "gehen" schreibt man "gehn", statt "am Tage" schreibt man "am Tag", statt "er ist es" schreibt man "er ist's" ).
  • Ein guter Dichter hat die Metrik während dem Dichten "im Gefühl", genauso wie ein Sänger oder Musiker den Takt eines Liedes, sodass er sich nicht ständig darüber Gedanken machen muss. Man kann das üben in dem man z.B. Verse oder Strophen ohne Worte vorab in der gewünschten Metrik mit "Da-Dam" vor sich hinsagt. "Da" entspricht dabei einer unbetonten Silbe und "Dam" einer betonten.
  • Inhalt, Worte und Metrik bilden eine untrennbare Einheit d.h. man kann durch die geschickte Wahl des Inhalts, der Worte und des Rythmus in der Sprache beim Leser ein Gefühl erzeugen und verstärken (Bsp.: Eine Verszeile bekommt einen höheren Apellcharakter, wenn sie eine männliche Kadenz hat, also auf eine betonte Silbe endet. Verwendet man dagegen eine weiblich Kadenz erzeugt man eher eine weiche, beschwingte Stimmung beim Lesen).

5. Kontext

Für das Verständnis von Gedichten ist es wichtig auf den Kontext in dem sie geschrieben wurden zu Achten. Damit sind z.B. folgende Dinge gemeint:

  • Zeit und Epoche
  • Region
  • Kulturraum
  • Quellen und Einflüsse aus der Vergangenheit oder anderen Kulturen
  • Weltanschaung und Religion
  • Persönlichkeit und Lebenssituation des Authors
  • Standeszugehörigkeit
  • Absicht beim Schreiben
  • Adressat
  • Untergattung des Textes

In den folgenden Abschnitten werden wir einen kurzen Überblick über manche dieser Faktoren in Bezug auf die höfische Dichtung für die Zeit des Hochmittelalters geben.

5.1 Zeit, Epoche und Region

Die höfische Dichtung des Hochmittelalters im deutschsprachigen Raum lässt sich für die Zeit zwischen 1150 und 1250 im engeren Sinne und bis 1300 im weiteren Sinne festlegen und umfasst die beiden Textgattungen Lyrik und Epik und gilt als eine Blütezeit der deutschen Literatur und wird auch als "Staufische Klassik" bezeichnet, da sie sich zeitlich in etwa mit der Regierungszeiz des stauferschen Kaisergeschlechts deckt. Desweiteren hat diese Epoche die Lyrik des 18. und 19. Jahrhundertsstark geprägt, besonders die Epoche der Romantik. (5) (6) (12)

 

Diese Epoche lässt sich grob in drei Unterabschnitte Einteilen: (6) (12)

 

1. Frühhöfische Lyrik

  • Ab 1150 bis 1175
  • Region "Donau" (Bayern / Österreich)
  • Der hohe Minnesang als höfisches Instrument ist noch nicht ausgeprägt. Inhaltlich wird noch die tatsächliche Liebe zwischen Mann und Frau beschrieben und die Frau hat als Figur auch inhaltlich Anteil an den Gedichten in so genannten "Frauenstrophen". Es handelt sich also eher um "Liebesgedichte".
  • Formale Merkmale der Lyrik: Ohne besondere Einteilig gebaute Strophe (ohne Stollen, Auf- oder Abgesang wie z.B. bei der Kanzone)  mit rythmischer oder reimender Hervorhebung des Strophenschlusses.  Beispiele sind die "Morolfstrophe", die "Rabenschlachtstrophe", die "Nibelungenstrophe" und die "Kürenberger-Strophe". (7) Der einzelne Vers besteht oft aus vier Takten, angelehnt an den Vierheber der Epik oder der Langzeile des Niebelungentypus.
  • Berühmte Vertreter: Der Kürnberger, Dietmar von Aist, der Burggraf von Regensburg, Meinloh von Sevelingen, der Burggraf von Rietenburg.
  • 1170 bis 1190
  • Region "Rhein", besonders Ober- und Mittelrhein
  • Geprägt durch das Kaisergeschlecht der Staufer und Barbarossa und durch provenzalische Dichtung.
  • Die "Hohe Minne" entsteht, die eine Frau besingt und ihr dient ("Frauendienst") aber nichts mit erlebter Liebeslyrik zu tun hat.
  • Formale Merkmale der Lyrik: Verwendung des Daktylus, Verwendung von "vorflochtenen Reimbändern" (Wenige Reime ziehen sich durch die ganzen Strophe, z.B. a b a b a b a b b als Reimschema), teilweise stolliger Aufbau. (7) Der einzelne Vers ist eine Nachbildung des romanischen Zehnsilbers.
  • Berühmte Vertreter: Heinrich von Veldecke, Friedrich von Hausen, Ulrich von Gutenburg, Rudolf II. von Fenis.

 

2. Hochhöfische Lyrik

  • Ab 1180 bis 1230
  • Individuelleres Auftreten einzelner Dichter in Inhalt und Form. Das Thema der Minne ist voll ausgebildet. Die Minne wird oft als eine "Spannung zwischen Tranzendenz und Sinnlichkeit" erlebt und diskutiert.
  • Formale Merkmale der Lyrik: Allmähliche Abwendung der Form der Rheinischen Lyrik der frühen Zeit, stolliger Aufbau der Strophen (Kanzone). Der einzelne Vers besteht oft aus 6 Takten bzw. 12 Silben, kann aber Variieren. Alle Möglichkeiten der Kadenzen treten auf.
  • Berühmte Vertreter: Albrecht von Johansdorf, Hartmann von Aue, Heinrich von Morungen, Reinmar von Hagenau, Walther von der Vogelweide.

 

3. Späthöfische Lyrik

  • Ab 1220 bis 1250
  • Fortsetzung des Minnesangs nach dem Vorbild von Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide. Die Minne wird als festetabliertes Gesellschaftssystem der zuchtvollen Sinnesfreude erlebt. Sämtliche inhaltlichen "Spannungen" der hochhöfischen Lyrik sind verschwunden. Die Gedichte verlassen zunehmend den höfischen Kontext und neben die hohe Minne tritt die niedere Minne, die "echte und schlichte" Liebe zu einem "einfachen Mädchen".
  • Formale Merkmale der Lyrik:  Stolliger Aufbau der Strophen wie in der hochhöfischen Lyrik. 
  • Berühmte Veretreter: Ulrich von Lichtenstein, Burkhart von Hohenfels, Gottfried von Neifen, Ulrich von Winterstetten, Neidhart von Reuenthal.

5.2 Kulturelle und weltanschauliche Einflüsse

Die Epoche der Staufischen Klassik, in der der mittelhochdeutschen Ritterromans (Epik) und Minnesang (Lyrik) entstanden sind wurde von folgenden kulturellen Einflüssen gestaltet: (6) (12)

 

  • Der christliche Glaube, der u.A. die Ehrfurcht vor der Seele des Menschen und die Erziehung der menschlichen Seele zu einer persönlichen, tugendhaften Frömmigkeit zum Inhalt hatte. Auch eine Parallele zwischen dem Frauendienst der hohen Minne und dem religiösen Marienkult ist denkbar.
  • Antike und keltische Vorbilder, besonders für die Inhalte der Epik.
  • Die Kreuzzüge, besonders der 3. Kreuzzug (1189-1192) unter Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) und der 5. Kreuzzug (1228-1229) unter Kaiser Friedrich II. (Stupor Mundi).
  • Im Zusammenhang mit den Kreuzzügen arabische Vorbilder und deren Liebeslyrik. Der Unterschied zwischen Orient und Okzident ist jedoch, dass während die arabische Liebeslyrik mehr auf das Sinnhaft der Liebe eingeht, die europäische Minnelyrik die Liebe spiritualisiert und aus eine christlich-transzendente Ebene hebt.
  • Der aus den Kreuzzügen neu entstandene Ritterstand, dessen ritterlichen Ideale und die ritterlich-höfische Erziehung junger Menschen, die u.A. den "richtigen" Umgang mit dem weiblichen Geschlecht beinhaltete. Bestimmte Begriffe und Werte spielen in den Texten oft eine zentrale Rolle, die den Rittertugenden ähneln. Dies sind z.B. Beständigkeit (staeaete), Aufrichtigkeit (triuwe), Glückseligkeit (saelde), Ansehen (êre), Denken bzw. Empfinden (muot), Erhörung (genâde) und Freude (fröide).
  • Das Kaisergeschlecht der Staufer und das damit verbundene Bild des "vollendeten, höfischen Menschen", der durch Erziehung und Selbstzucht nach Vollkommenheit strebt. Die Minne bändigt in diesem Zusammenhang alles Sinnliche und Triebhafte in der Beziehung zwischen Mann und Frau.
  • Die Südfranzösische Troubardourdichtung
Die Lyrik des Hochmittelalters wird auch als "Rollenlyrik" im Gegensatz zur "Erlebnislyrik" bezeichnet, da davon auszugehen ist, dass die Autoren sich in ihren Gedichten in eine Rolle hineinversetzt haben (Ritter, Bote, Wächter usw.), die aber nicht ihrem tatsächlichen Erleben  ider Persönlichkeiten entspricht. (12)

5.3 Inhaltliche Textuntergattungen

In der hochmittelaterlichen Lyrik unterscheidet man meist drei verschiedene Untergattungen:

 

1. Leich (9)

  • Lange, gesungene Gedichte von meist über hundert Versen und kompliziertem Aufbau.
  • Gilt als "Prunkform" hochmittelalterlicher Lyrik.
  • Vom Ende des 12. bis ins 14. Jahrhundert verwendet.
  • Hat entweder geistliche oder weltliche Themen.

 

2. Sangspruchdichtung (10)

  • Strophige Gedichte, die inhaltlich lehrhaft-didaktisch sind.
  • Der Inhalt spielt eine größere Rolle als die Ästhetik des Gedichts.
  • Vom Ende des 12. bis ins 15. Jahrhundert verwendet.
  • Die Sangspruchdichtung wurde von fahrenden Berufsdichtern ausgeübt.
  • Die Themen sind z.B. Religion, Ethik, Moral, Totenklage, Fürstenpreisung und -tadel, der Kritik an weltlichen und kirchlichen Missständen, der Satire und Polemik bis zur Kritik an Künstlerkollegen.
  • Anfänglich war die Form der viertaktige Vers in Paareimdichtung. Der letzte Vers einer Strophe war verlängert um so den Schluss zu signalisieren. Später kommen auch andere Reimformen hinzu, wie der Kreuzreim, der umarmende Reim oder der Schweifreim.

 

3. Minnesang / Lied (11) (12)

  • Vom Adel gepflegte, künstlische Form der Lyrik
  • Von 1150 bis 1250 verwendet.
  • Der Minnesang trug maßgeblich zur Entwicklung des Mittehochdeutschen bei.
  • Thema ist die tranzendente Verehrung der Weiblichkeit, basierend auf dem tugendhaften höfischen Idealbild des Ritterstandes.
  • Formal ist der Minnesang ein Mehrstrophiges Lied / Gedicht mit zwei bis sieben Strophen (meist drei oder fünf). Er folgt formal oft dem Vorbild der Kanzone.
  • Inhaltliche Unterformen des Minneliedes sind z.B.:
  • Minne- oder Werbelied: Inhalt des Minne- oder Werbelied ist eine Minneklage des Mannes an eine unerreichbare Frau.
  • Frauenlied: Im Frauenlied wiederum wird der Minnedienst aus der Sicht der angebeteten Frau betrachtet
  • Wechsellied: Unter Wechsellied versteht man das Nebeneinandersprechen von Mann und Frau. Die Sprecher kommunizieren dabei nicht miteinander.
  • Dialog- oder Gesprächslied: Das Dialog- oder Gesprächslied dagegen ist ein reiner Dialog zwischen den Minnepartnern,
  • Tagelied: Beim Tagelied handelt es sich inhaltlich um den Abschied zweier Liebender bei Tagesanbruch.
  • Pastourelle: In einer Pastourelle wird die Begegnung eines Ritters oder Klerikers mit einem einfachen Mädchen im Freien beschrieben. Dabei handelt es sich um einen Verführungsversuch, welchem das Mädchen zu entgehen versucht.
  • Mädchenlied: Ein Bruch mit der Hohen Minne ist das sogenannte Mädchenlied. Dieser Liedtyp wurde besonders von Walther von der Vogelweide geprägt. Man nennt diese Art auch niedere Minne oder erreichbare Minne.
  • Kreuzlied: Das Kreuzlied befasst sich mit der Verbindung von Minne- und Kreuzzugthematik.
  • Naturlied: Naturlieder finden sich selten als reine Jahreszeitenlieder. Meist dienen sie als Eröffnung eines Minneliedes. Je nach beabsichtigter Stimmung unterscheidet man Mailied, Sommerlied und Winterlied.

1 - Fink, Katharina: Deutsche Literatur im Mittelalter  (Link zum Text)

2 - Germanistisches Seminar der Universität Bonn: Leitfaden zur Metrik der mittelhochdeutschen Dichtung (Link zum Text)

3 - https://www.sofatutor.com/deutsch/videos/das-metrum-in-gedichten-jambus-trochaeus-daktylus-und-anapaest

4 - https://wortwuchs.net/kadenz/

5 - https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Literatur_des_Hochmittelalters

6 - De Boor, Helmut: Die Höfische Literatur, C.H.Beck, München 1953.

7 - https://www.uni-muenster.de/MhdMetrikOnline/sites/metrik/1.0_grundsaetzliches.php

8 - Müller, Udo: Drama und Lyrik, Herder, Freiburg 1979.

9 - https://de.wikipedia.org/wiki/Leich

10 - https://de.wikipedia.org/wiki/Sangspruchdichtung

11 - https://de.wikipedia.org/wiki/Minnesang

12 - Stange, Manfred: Deutsche Lyrik des Mittelalters, Marix Verlag, Wiesbaden 2005.

13 - Aarburg, Ursula: Melodien zum frühen deutschen Minnseang, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1961.

14 - Bumke, Joachim: Höfische Kultur, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999.