Kapitel 2: König Roderich



In längst vergangner, alter Zeit,

der Herren ungeklagtes Leid,

der Königstränen Übermaß,

den einen Namen einst besaß:

der König Roderich im Land,

der Christengoten, dort am Strand,

des Meeres zu den Heiden hin,

hoch in Toledos starker Zinn-,

bewehrter Mauer, seiner Stadt,

die einst so viel gelitten hat.

Dort saß der letzte hohe Herr,

der Gotenkönig, trübsalsschwer,

denn nicht der äußre Feind war schlimm,

es war sein sündig, schwacher Sinn:

Im Kampfe war er nicht geübt,

sein Geist war schwach vom Wein getrübt,

die Lenden seiner Manneskraft,

die haben ihm den Feind verschafft,

der einst so trefflich für ihn focht,

an Gribaltaris dünnem Docht,

die Flamme eines heißen Kriegs,

und bis dahin des Königs Siegs.

Doch als der Grafe Julian,

von seiner Tochter hat erfahrn,

dass Roderich sie schlimm beschmutzt,

Florinda bös die Flügel stutzt,

sie rauschgeschwängert, derbe minnt,

alsdann auf böse Rache sinnt.

Er findet in dem einstgen Feind,

dem Heiden einen neuen Freund,

verschafft dem Unheil Raum im Land,

gibt Gibraltar in dessen Hand.

Herr Tarek, einäugig genannt,

bedankt sich reichlich mit der Hand,

Allahs zum Schwur, dass er schon bald,

den König stürzet mit Gewalt,

Florinda rächt und ohne Rast,

sie wohlbehalten zum Palast,

des Grafen Julianes bringt,

dass ihr der Friede wieder klingt.

Doch wäre dies einst nie geschehn,

hät Roderich die Sünd gesehn,

als sie nach seinem Herzen griff,

und seine Träume schartig schliff,

dass widerhakend er schon starb,

als er das Königsamt erwarb.

Es war die dunkle Macht der Gier,

die kriechen ließ ihn wie ein Tier,

vor seiner Sehnsucht nach der Macht,

die manchen hat schon umgebracht.

Er träumte dunkel einst im Schlaf,

dass er zwei Schicksalsboten traf,

die ihm die Wahl mit einem Schloss,

gereichten, dass er nicht verdross,

die Sünde wegzuschließen bald,

wie es für jeden König galt,

dass er regiere möglichst fromm,

von Unheil frei, auf seinem Thron.

Dafür sollt er am alten Turm,

des Herkules im Wintersturm,

sein Schloß anbringen und dann gehn,

dass Sünd bleibt in dem Turm bestehn.

Er wollt dies auch, so war sein Sinn,

doch auf dem Weg zum Turme hin,

in Sturmgepeitschter, rauer Nacht,

hat ihn die Gier zu Fall gebracht.

Es kam ihm in den dummen Sinn,

dass in dem alten Turme drin,

der größte Schatz zu finden ist,

der Sünde süße Lebenslist,

die einem macht die Tage reich,

das Leben wie im Himmel gleich,

voll Glück und Weib und Freudensang,

voll Liebreiz, nicht voll frommen Klang,

der nur der Demut Plackerei,

dem Frommen bringt, was doch nicht sei,

für einen König dieser Welt,

der lohn, den er von Gott erhält.

So kam es, dass der dumme Mann,

sich wünschte, dass sein Herz gelang,

in diesen Turm, wo seine Schmach,

ihm später sein Genicke brach.

Im Schlaf warf er sein Schlosse weg,

und öffnete das Traumversteck,

auf dass die Sünde ihn ergriff,

und seitdem hart sein Leben schliff."