Schach ist eines der ältesten und edelsten Spiele der Welt und hat bis heute eine lange Entwicklung hinter sich. Es gilt als Spiel der Könige und fand und findet bis heute vielerlei Anwendung in vielen Kulturkreisen und Bevölkerungsschichten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Spielen, die es gibt, kommt es komplett ohne ein Zufallselement aus und ist deshalb in Alfons kleiner Anekdote ein Sinnbild dafür, dass der Mensch sein Schicksal selbst in der Hand hat und es allein auf sein Wollen und Können ankommt. (1)
Als Herkunftsland des Schachspiels gilt meist Indien. Der genaue Zeitpunkt der Entstehung ist unbekannt, ebenso der Umstand, von wem es erfunden wurde. Eine alte persisch-arabische Überlieferung aus dem 10. Jahrhundert z.B. nennt das Indien des dritten Jahrhunderts vor Christus als Ursprungsort. Andere Theorien sehen jedoch im griechisch-westlich beeinflusste Persien den Ursprung. (1) (2)
Ursprünglich wurde Schach eventuell als Vierparteienspiel erfunden und entwickelte sich erst mit der Zeit zu dem Spiel mit zwei Parteien. (1) (2)
Über die arabisch-islamische Kultur kam es im Gepäck des arabischen Musikers Ziryab im Jahre 822 n.Chr. nach Spanien und somit in die Kultur des mittelalterichen Abendlandes. (1) (5)
Die ersten literarischen und archäologischen Belege von Schach in Euopa stammen aus dem 11. Jahrhundert. Seinen Namen erhielt das Spiel von der Figur des Königs, auf persisch „shah“. (6)
Auch wenn es verschiedene Schachvarianten im 13. Jahrhundert gab, hat das klassische Schach ein Brett mit 8x8 Feldern in zwei abwechselndn Farben, wie es auch heute noch genutzt wird.
Man geht davon aus, dass das Spielfeld in der islamischen Welt oft aus einem Stück Stoff oder einem Teppich bestand. (1)
Im mittelalterlichen Europa herschte vermutlich das hölzerne Brett mit bemalten Feldern oder eingearbeiteten Intarsien vor. Weitere Exemplare aus Ton wurden ebenso gefunden. (1) (2) Ein besonders wertvolles, kurioses und altes Beispiel ist das "Aschaffenburger Spielbrett" von ca. 1300. Es ist ein doppelseitiges klappbare Spielbrett aus Holz, Jaspis, Bergkristall, Silber und bemaltem Ton hergestellt. Unter den Bergkristallen findet man Reliquien eingearbeitet (siehe Fotogalerie am Ende).
Schachbretter werden oft nicht nur schwarz-weiß in zeitgenössischen Texten und Abbildungen beschrieben, sondern auch in anderen Farben wie z.b. rotbraun, rot und grau statt schwarz. Manche Bretter wiesen auch Muster innerhalb der Quadrate auf. Aber auch unkolorierte Bretter, die nur aus Gitterlinien bestanden, gab es. (3) (4)
Das Schach des 13. Jahrhunderts verwendet im Prinzip die gleichen Spielfiguren wie unser heutiges Schach, auch wenn sie sich teilweise in Form, Name und Zugweise etwas unterscheiden. Hergestellt wurden sie aus den unterschiedlichsten Materialien wie Knochen, Elfenbein, Horn, Stein, Ton oder Bergkristall. Man kann in den Figurensets eines Spiels grundsätzlich zwischen einfach gearbeiteten, abstrakten Figurentypen und meist sehr aufwändig hergestellten, figürlichen Figurentypen unterscheiden (siehe Album am Ende). (1) (2)
Im Folgenden werden die einzelnen Figuren ausführlicher vorgestellt: (1) (2) (4) (5) (7)
Bauer:
Turm:
Springer:
Läufer:
Dame:
König
Aufbau:
Die Aufstellung der Figuren erfolgt wie im modernen Schach (siehe Bild):
+ Beide Parteien stellen ihre Figuren sich gegenüber an den Rändern des Brettes.
+ Die Bauern in die jeweils zweiten Reihe vor die anderen, eigenen Figuren.
+ In der ersten Reihe von außen nach innen: Türme, Läufer, Springer.
+ König und Dame nehmen die mittleren Felder ein, wobei die Könige auf die Felder der jeweils gegnerischen Farbe gestellt werden oder zumindest sich gegenüber. (6)
Spielverlauf und Spielziel:
Spielziel:
Ziel ist es, den gegnerischen König bewegungsunfähig zu machen. Dafür muss man ihn so in die Enge treiben, dass er sich nicht mehr bewegen kann ohne bedroht zu werden. Man nennt dies ein "Schachmatt" (arabisch "xamat").
Bevor sich König Alfons in seinem Buch 103 Schachproblemen widmet, erwähnt er eine Schachvariante, die er als "Jungfrauenspiel" oder "erzwungenen Schach" bezeichnet und die dem heutigen Räuberschach ähnelt: (1)
Leider werden nicht alle Regeln, die zum Spielen notwendig wären, beschrieben. Nicht geklärt werden z.B., wann das Spiel endet und welche Figur wie viele Punkte am Ende zählt. Die Wertigkeit der Figuren könnte sich aus einem Kapitel des Buches ergeben, in dem Alfons die Figuren miteinander vergleicht und deren Vorzüge benennt. Folgende weitere Regeln schlagen wir vor:
Der Name "Jungfrauenspiel" leitet Alfons wie folgt her: "Da aber einige erzählen, dass die Jungfrauen es im Land jenseits des Meeres zuerst erfunden haben, nennt man es Jungfrauenspiel." (1)
Um das Schachspiel zu verkürzen schlägt Alfons den Einsatz von Würfeln vor. Dabei werden den Figuren folgende Augenzahlen zugeordnet: König = 6, Dame = 5, Turm = 4, Springer = 3, Läufer = 2, Bauer = 1. (1)
Leider wird nicht erklärt wann und wie die Würfel eingesetzt werden. Eine mögliche Regel, die sich besonders in Kombination mit dem Jungfrauenspiel eignet, wäre, dass man vor seinem Zug würfelt und dann eine dem Ergebnis entsprechende Figur ziehen muss. Hat man diese Figur nicht mehr, setzt man entweder aus oder würfelt erneut bis man ziehen kann.
Bei dieser Variante handelt es sich um ein Spiel für vier Personen mit Geldeinsätzen: (1)
Als Spielmaterial braucht man je einen halben Satz Schachfiguren in den vier Farben Grün (Frühling), Rot (Sommer), Schwarz (Herbst) und Weiß (Winter) bestehend aus vier Bauern (B) und jeweils einem König (K), Springer (S), Läufer (L) und Turm (T). Desweiteren benötigt man ein Schachbrett, das durch zwei diagonale Linien ergänzt ist (siehe Bild) und laut Originalregeln Münzen als Einsatz.
Der Spielaufbau erfolgt wie im Bild gezeigt in den vier Ecken des Brettes. Jeder Spieler hat zusätzlich Münzen.
Regeln:
Alfons nennt noch weitere Schachvarianten auf besonderen Brettern, die hier nur kurz aufgezählt werden sollen: (1)
Weitere im 13. Jahrhundert bekannte Varianten sind z.B.: (1)
In der Carmina Burana, einer um 1230 entstandenen Liedersammlung, findet man folgendes Gedicht, dass die Regeln des Schachs erklärt: (8)
"Wer das vornehme Spiel der Könige kennenlernen möchte.
der höre her. So gut ich es kann, fasse ich es in einem Gedicht zusammen.
In wenigen Versen will ich euch die regeln des Wettkampfs erläutern:
[Spielbrett]
Auf einem Brett sind je zweimal vier Felder verschiedener Farbe.
Das erste ist weiß, das zweite aber prangt vor Farbe,
entweder schwarz oder blaugrau oder rot gefärbt.
[Aufbau]
Auf dem ersten droht der Turm, die schlacht zu eröffnen,
und das Pferd steht daneben, das schalkhafte Rechte besitzt.
Auf dem dritten Feld steht der Läufer als Wächter des Königs,
als Vierter erstrahlt der König selbst; als Fünftes thront seine Dame.
Danach entspricht die Reihenfolge die der ersten edlen Häupter.
Die Vorhut bildet eine äußerst flinke Bauernschar.
[Figuren und Spielziel]
Der Bauer schlägt aus dem stand sowohl nach rechst als auch nach links,
wenn er schräg vor sich einen Gegner sieht.
Und wenn es ihm einmal vergönnt ist, das ende des Bretts zu erreichen,
übernimmt er das Amt einer Königin (Dame).
Vordem ein mann, jetzt eine Frau, dient er dem König als wilder Vollstrecker,
befiehlt und herrscht, nimmt von hier und entkommt von da.
Als erste eröffnen die Bauern den Kampf, ebenso fallen sie auch,
und ebnen im Sterben den gefahrvollen Weg für die Übrigen.
Über die Weite des Brettes zu ziehen ist dem Turm gestattet,
in jede beliebige Richtung, sofern ihm nichts im Weg steht.
Als Stärkster reißt er die Stärksten nieder und, mit Geschick, die ganz kleinen,
sehr oft wird er auch von den kleinsten Kamerdaen zu fall gebracht.
Als auffälliger Streiter springt das kluge, flinke, schlachtenerprobte,
schnelle Pferd dorthin, wo sich ein Platz findet dank seiner Technik.
So täuscht es die unbedarften Kameraden, erschreckt und verfolgt
jene, die keinen trug kennen, erbeutet hier und dort wird es selber zur Beute.
Der Läufer auf dem Kreuzweg trägt eine erfurchtsgebietende Bischofsmütze,
und vorwärts, rückwärts überlistet er das unaufmerksame Gefolge.
Die Kleinsten werden von den herren geschlagen, vom Fußvolk die Herren,
die wie beschrieben bunt gemischten Adligen; die schar der Bauern kommt um.
Bis er umstellt ist, bleibt der König im Spiel, auch wenn man die Dame ihm nimmt;
auch wenn man die Dame ihm nimmt, bleibt der König auf dem Spielfeld.
Häufig geht er matt, obgleich ihn ein Wirrwarr von Dienern umgibt,
und dieses Matt erleidet er dann, wenn ihm kein Fluchtweg offen steht."
Spielbrett und Aufbau decken sich mit den Beschreibungen Alfons. Auch wenn leider nicht alle Zugmöglichkeiten der Figuren genauer beschrieben werden, scheinen auch diese mit Alfons Beschreibungen überein zu stimmen. Neu ist, dass eine Partie mit einem Bauernzug beider Spieler zu beginnen scheint: "Als erste eröffnen die Bauern den Kampf, ebenso fallen sie auch".
1 - Das Buch der Spiele. Alfons X. "der Weise", übersetzt und kommentiert von Ulrich Schädler und Rivardo Calvo. Lit, Wien 2009.
2 - Antje Kluge-Pinsker: Schach und Trictrac, Zeugnisse mittelalterlicher Spielfreude in salischer Zeit, Jand Thorbecke Verlag, Sigmaringen, 1991.
3 - St. Thomas guild
4 - Fischer, Doris: Spielen wie im Mittelalter, Konrad Thessaloniki Verlag, Stuttgart, 2013. (Webseite der Autorin)
5 - Wikipedia
6 - Lackner, Karin: Spielzeug und Spielformen im Mittelalter, Diplomarbeit, Wien, 2012. (Download als PDF)
7 - Robert Nedoma: Die Schachterminologie des Altwestnordischen und der Transfer des Schachspiels nach Skandinavien (Download als PDF)
8 - Hackemann, Matthias: Carmina Burana, Lieder aus Benediktbeuren, Anaconda, Köln 2006.