Kanzone

Die Kanzone ist eine typische Liedform des Hochmittelalters, in der ca. 80% der Lieder aus der Zeit verfasst wurden. In meinen Kanzonen (Lied) habe ich mich an folgendem Schema orientiert:

 

  • Jede Strophe besteht aus zwei Teilen: dem Aufgesang und dem Abgesang.
  • Der Aufgesang besteht aus den ersten vier Versen.
  • Der Aufgesang wird in zwei "Stollen" geteilt (Verse 1 und 2 = 1. Stollen, Verse 3 und 4 = 2. Stollen), die metrisch übereinstimmen.
  • Der Abgesang besteht aus den Versen fünf und sechs und bildet den dritten Stollen einer Strophe.
  • Das Reimschema jeder Strophe lautet ab ab cc, im Aufgesang also ein Kreuzreim und im Abgesang ein Paarreim.

 

(Weitere Informationen)

Herr Georg und der Drache

1. In ewig heißem Wüstensand,

in gleißend hellem Sonnenlicht,

befindet sich ein reiches Land,

von dem man in Geschichten spricht.

So hört, Silena heißt der ferne Ort,

den ich beschreib in Weise, Ton und Wort.


2. Ein See gleich einem Meere groß,

liegt schimmernd vor der stolzen Stadt,

beschert aus Mutter Erde Schoß,

was Glück und Tod zu bieten hat.

So hört, was dort auf nassem Grunde liegt,

von Hass erfüllt, gefürchtet, unbesiegt.


3. An jedem Tag steigt es empor,

versprüht aus seinem feuchten Grab,

den Hauch des Todes vor dem Tor

und fährt hernach ins Nass hinab.

So hört was man zu tuen pflegt,

damit sich nichts mehr aus den Fluten regt.


4. Im Morgengraun schritt man zu Teich,

als Zins zwei Böcklein brachte man,

dem Ungeheuer zum Gereich,

dass man in Frieden leben kann.

Doch hört, was man dem Drachen gab zum Schmaus,

als alle Schafe sowie Böcklein waren aus.


5. Aus jedem Haus nahm man ein Kind,

als Fleischgereicht fürs Ungetier,

das Los entschied den Tod geschwind

und Tränen flossen dort und hier.

So hört, was Tränenschreie brachen aus,

als einst das Los traf auf das Königshaus.


6. Mein Kind, der König schrie sogleich,

ich lasse euch mein Land und Gold,

verschont ihr Leben, bitt ich euch,

wenn nur ein andrer gehen wollt.

Doch hört, wie da Silena war empört

und nicht auf seinen König hat gehört.


7. Die Fraun und Männer dieser Stadt,

sie wetterten vorm Königshaus,

dass auch ein König Pflichten hat,

so gab er seine Tochter raus.

Doch hört, wie tränenreich der Abschied war,

als ihm der Tod der Tochter ward gewahr.


8. Er brachte sie im Morgengraun,

zum Ufer, küsste sie zuletzt,

es half kein Trost ihn zu erbaun,

die Augen blieben feucht benetzt.

Doch hört, wer in den Morgenstunden kam

und brach Verzweiflung, Trauer, Angst und Gram.


9. Herr Georg ritt auf seinem Ross,

entlang dem See und sah die Frau,

in Trauer sitzend fern vom Schloss,

allein im kühlen Morgentau.

So hört, er bot ihr seine Hilfe an,

doch sprach sie, dass kein Mensch ihr helfen kann.


10. Du junger Ritter, reite fort,

mein Leben liegt in Scherben gleich,

der Tod herrscht kühn an diesem Ort,

ich sterbe bald an diesem Teich.

Doch hört, was dort dann wundersam geschah,

als er das böse Ungeheuer sah.


11. Es gurgelte im dunklen See,

das Unheil stieg aus seinem Schlaf,

der Drache kroch in ihre Näh,

bis ihn Herrn Georgs Klinge traf.

So hört, wie er den Sieg empfangen hat

und zog mit Frau und Drache in die Stadt.


12. Der König sprach in Glück und Angst,

dich Ritter ehre man sogleich

und du bekommst, was du verlangst,

ich geb mein Gold, mein Schloss mein Reich.

Doch hört, was Georgs Wunsche war statt Gold,

was er verlangte als Soldaten Sold.


13. Herr Georg sprach, ich war es nicht,

der euch den Drachen schlug zum Heil,

es war mein Gott, der zu euch spricht,

drum sei das Gold mir nicht zuteil.

Drum hört ihr Menschen von Silena all,

glaubt mir und bringt das Böse jetzt zu Fall.


14. So ließ sich taufen jeder Mann,

auch jede Frau und jedes Kind,

sodass Herr Georg reisen kann,

nach einem Kuss ging er geschwind.

So hört, dass mancher starke Drache stirbt,

wenn man in seinem Herzen Gott erwirbt.


(Hat eine Melodie 🎵)

Der Prozess gegen Heinrich

1. Freundlich in den dunklen Stunden,

wärmt uns Gottes Wort fürwahr,

als ein jedes Licht entschwunden,

und die Nacht den Tod gebar.

Doch das Licht, das wärmt so heuer,

wird bei Mißbrauch schnell zu Feuer.

 

2. Heiße Glut brennt aus den Leibern,

Böses für die Leuterung,

dienet Männern als auch Weibern,

bei einer Erneuerung.

Deshalb lodert hell der Dörper,

spürt das Heil am ganzen Körper.

 

3. Seht wie Wort und Flammen schlagen,

seht wie Menschen brennen hell,

hört nicht auf der Weiber Klagen,

wenn der Retter ist zur Stell.

Seht wie Christus stark erleuchtet,

jeden, der im Feuer beichtet.

 

4. Dieses Wort in unsren Tagen,

kam aus Marburg in die Welt,

und so ist es zu beklagen,

dass es manchen Frommen fällt.

Selbst der Adel ward geschunden,

ließ im Feuer Ehr und Wunden.

 

5. Bis Herr Heinrich groß und fromme,

ihm entgegenzog zu streiten,

dass es aus der Hölle komme,

wider Gottes Ewigkeiten,

so das Urteil war gefallen,

Gott zur Ehr und Segen allen.

 

6  So war Lüge offenbaret,

so erlosch des Feuers Glute,

so blieb uns der Tod ersparet,

und so floß des Teufels Blute.

Deshalb hört, wer spielt mit Lichte:

Feuer macht auch dich zunichte!

 

Hördatei des Gedichts

 

 

Erläuterungen:

 

Das Gedicht stellt eine Reaktion auf die Konflikte Heinrich III. von Sayn mit Magister Konrad von Marburg dar, den berühmtesten und berüchtigsten deutschen Inquisitor des 13. Jahrhunderts. Wie damals üblich haben viele Dichter Gedichte zugunsten ihrer Mäzene und Geldgeber geschrieben, weshalb ich mich dieser Praxis in Bewusstsein meiner Rolle als Beamter Heinrichs einfach mal anschließe.

Dausenau

1. Lieblich schön auf grünen Auen,

zwischen Bergen stolz im Tal,

ist es heute zu beschauen,

eine Kirche meine Wahl,

Dieser wunderbare  Ort,

preiset seelig Gottes Wort,

hebt mich in Gedanken fort.

 

2. Dort in heilgem Stilleschweigen,

Blick gen Osten ich empor,

und seh der Apostel Reigen,

bunt erleuchtet vorn im Chor,

seh wie sie den Herrn begleiten,

und mit ihm durchs Leiden schreiten,

lass mich nun von ihnen leiten:

 

3. Düster in den Abendstunden,

treibt den Herrn es ins Gebet,

ahnt er schon um seine Wunden,

und dass er alleine steht.

Schlafend ist die Welt kein Halt,

die Vergänglichkeit erstrahlt,

alle Freundschaft ist verhallt.

 

4. So ist unsre Welt gemachet,

dass sie uns alleine lässt,

uns in unsrem Schmerz verlachet,

während sich das Auge nässt,

und so mancher Freundschaftskuss,

endet in dem einen Schluss,

dass es ein Verrat sein muss.

 

4. Einst war man so gut befreundet,

jetzt steht man vor dem Gericht,

wo man schuldlos wird verleumdet,

Hilfe gibt es leider nicht,

So wie unser Herr eins stand,

vor Pilatus, der die Hand,

wusch als Unschulds Unterpfand.

 

5. Nun kommt es zu bittrem Ende,

weil das Leben uns bestraft,

fest gebunden unsre Hände,

während manche Wunde klafft,

so ereilt uns mancher Schlag,

was an Schlägen es vermag

in der Nacht und auch am Tag.

 

6. So ernüchert geh ich bitter,

bis zum End des Kirchenraums,

doch dann trifft mich ein Gewitter,

reißt mich aus dem düstren Traum:

Seh an einem Pfeiler schön,

St. Kastoris freundlich stehn,

und spür seine Botschaft wehn:

 

7. Hier an diesem schönen Orte,

in der Kirche die ich sah,

leben froher Menschen Worte,

so wird es mir offenbar:

Der Gemeinschaft ich vertrau,

jedem Mann und jeder Frau,

schön bist du mein Dausenau.

 

Zu singen nach der Melodie "Palästinalied" von Walther von der Vogelweide.