Kapitel 1: Asche und Diamant



Du kennst die lose Schattenwelt?

Ihr Ursprung dir sich nicht erhellt,

Die Plage in Gedanken schwer?

dass du dich grämest mehr und mehr.

So siehst du wider die Natur,

es ist in aller Welt und Flur,

mit großer Sicherheit vermählt,

die seelge Ahnung, die dich quält.

Die seelge Ahnung von dem Sein,

in deinen Augen nur ein Schein,

doch fühlst du wie es letztlich ist:

die Offenbarung wird gehisst.

Drum folge mir durch Ort und Zeit,

von Menschenaug entfremdet weit,

und tauche in den Schlummerteich,

ins Traum- und ins Ideenreich.

Dort sitzen sie in teurer Rund,

und jeder lichte Herrenmund,

der Fürsten eines jeden Traums,

klagt all sein Leid im Licht des Raums:

„Die Menschen solln uns Herren sein?

und jeder Traum, ob groß, ob klein,

wird ihren Köpfen unterstellt?

Ihr Königtum in unserer Welt?

sie sind Objekte unsrer Kunst,

sie lieben und sie hassen uns,

sie leben durch uns, Tag und Nacht,

wir bleiben unsre eigne Macht!“

So sitzen Liebe, Hoffnung, Mut,

in diamantner Feuerglut,

nebst Glaube und Frau Zuversicht,

in reinem, weißen Tageslicht.

Und doch weiß kein Mund guten Rat, 

man schaudert vor der Menschenart:

Die Sünd, von allem Anfang her.

und was dann folgt um vieles mehr.

Die Sünd des Wissens aller Ding,

jede Idee die ihm entspringt,

die er vor seinen Augen sieht,

und in den Menschengeist entflieht.

Doch nur das Wissen ist nicht Sünd,

sodass eine jedes Menschenkind,

ein dunkles Wesen in sich birgt,

es sind die Taten dies es wirkt.

Drum soll der Träume Kreis versperrt,

in Ewigkeiten fest verwehrt,

geschlossen für den Menschen sein,

sie bleiben frei und still allein!

Von diesem Satz zutiefst bedrückt,

erschallt Frau Muses und Frau Glücks,

besonnen, hoffnungsvoll zum Fried,

gekonnt gesungnes, sanftes Lied:

„Es scheint ein Strahl des frohen Lichts,

wenn Schatten uns berührn im Nichts,

und Zweifel wurde uns gebracht,

so scheine Hoffnung in der Nacht.

Wo soll dies alles für uns enden?

Wird Düsternis sich zu uns wenden?

Wo führt der Weg uns heute hin?

Vielleicht macht alles einen Sinn?“

Ein jedes Wort ward weggeführt.

ein jeder Fürst blieb ernst berührt,

vom hellen Haupt zum güldnen Saum,

bloß Stille zog noch durch den Raum.

Es war nach eingem Stille sein,

dass nun der König sprach allein,

von diesen Damen und auch Herrn,

und sie belehrte gut und gern:

„Ihr Fürsten, Freunde, Lichterherrn,

die Botschaft kam vom Himmel fern,

es ist uns nicht geziemt zu schrein,

und wir müssen ihr hörig sein.

Der hohe Vater, der er ist,

erbittet, dass man nicht mit List,

der Träume Wesen und auch Welt,

den Menschenkindern vorenthält.

Die Menschen sollen lernen nun,

dass Träume ihnen Gutes tun,

und strahlen in der schönsten Pracht,

dies auch bei Tag, nicht nur bei Nacht.

Drum soll es ihnen möglich sein,

dass die Idee, so fein und rein,

der Phantasie, in der ich bin,

ganz zu erforschen tief im Sinn,

der Herr der Welt und Wahrheiten,

des Wissens aller Weltzeiten,

der seinen Ebenbildern schenkt,

den Weg der Träume, der sie lenkt,

zu weitgeschauter Neuerung,

zu einer Wesensbesserung,

zu dritter Wahheitslebenswelt,

zum Göttlichen, das einzig zählt.“

Das Schweigen brach im Saale aus,

kein Laut flog mehr zur Tür hinaus,

die Stille schlief in jedem Ohr,

es trat kein Murmeln mehr hervor.

Das diamantne Himmelslicht,

und jedes glänzende Gesicht,

erfüllten andächtig den Raum,

es war ein schön geträumter Traum.

Geblieben wär es wahrlich so,

in jeden Herzen lichterloh,

gäbs nur das Gute in der Welt,

das göttlich jeden Geist erhellt.

Wenn Liebe, Treue, guter Mut,

in diamantner Himmelsglut,

die Hoffnung und Frau Musica,

die Träume lenkten, fern wie nah.

Wenn jeder Geist voll ihrer wär,

besetzt von Güte, Gutem, Ehr,

ein jeder Stuhl in diesem Saal,

dann gäbs nur eine einzge Qual:

die Qual des Lernens aller Ding,

von denen ich hier wahrlich sing,

und jeder einzigen Idee,

dass jedes Herz es gänzlich seh,

der Gute Kern in jedem Ding,

das Göttliche, das dem entspringt,

der tiefe Sinn der schönen Welt,

wenn mans verständig vor sich hält.

Zwar war die Halle reich geschmückt,

doch war dazwischen dicht bestückt,

im diamantnen Lichtermeer,

der Putz mit aschnem Todesleer.

Dies war es, was das Funkeln brach,

was in die freudge Stille sprach,

die Kehrseit eines jeden Traums,

die Schattenwelt des hohen Raums.

Kaum war geträumt der Friede Wort,

erbebte tückisch dieser Ort,

der Spruch war kaum verinnerlicht,

als Schatten trat ins Freudenlicht.

Es zischte an der aschnen Tür,

und sprach dem König nach und für,

ein Stimmlein, böser Ungestalt,

mit ruhiger, teuflischer Gewalt:

„Ich dank dir, Herr der Lichterwelt,

du hast die deinen hoch erhellt,

und deine lichte Wortgewalt,

hat Macht in unsre Faust gezahlt.“

Die Asche glühte sprühend rot,

als einer, dunkler als der Tod,

ein Unhold durch die Türe trat,

und sich den Platz am Tisch erbat.

Der König nickte stumm und kühl,

als dieser in sein Polster fiel,

und bald von seinem schwarzen Thron,

hereinbat mancher Hölle Sohn.

Der Hass nahm neben Liebe Platz,

Verrat sprang auf mit einem Satz,

zur Treue hin nebst bösem Blut,

Verzweiflung schritt zu guten Mut.

So mancher harsche Ungesell,

verbarg das diamantne Hell,

so blieb in jener Säulenhall,

ein fahles schimmern überall.

Der Unhold bat erneut ums Wort,

da jetzt der Träume Wesenshort,

in diesem hohen Saale nun,

versammelt sei, zum rechten Tun.

„Es ist uns eine Ehrentat,

regierend in der Träume Rat,

mit euch dass hier zu tun und sein,

was brach vom Himmel her herein.

Gern geben wir den Menschen Macht,

auf dass ein harter Kampf entfacht,

die Sünd wider das Lichterreich,

als niemals dagewesner Streich.

Wir wissen, was wir ihnen sind,

wir leben tief in jedem Kind,

wir sind der starke Menschentrieb,

das umgekehrte Weltprinzip.

Wir sind das große Ungetüm,

und immer gierig, ungestüm,

dass eine jede Seele treibt,

sich jedes Herzlein einverleibt.

Wenns göttlich ist, den Menschen jetzt,

die Träume, Phantasiebesetzt,

den dritten Weg unsrer Ideen,

zu geben, finden wir das schön.

Ein jeder Traum, ein jedes Ding,

hat neben eurem Lichtersinn,

wie jedes Zeichen in der Welt,

ein dunkles Mal in sich bestellt.

Und wird der Mensch einst dieses sehn,

wird er es sich ins Herz erflehn,

dass diese dunkle Macht darin,

für immer sei sein Lebenssinn.“

Der König ließ ihn siegesfroh,

sein Wort an alle richten so, 

dass Dunkelheit im Vorteil scheint,

und böses sich mit Menschen eint.

Doch gab er ganz zum Schluss den Rat,

dass oft zu ungeahnter Tat,

der Mensch in allem fähig sei,

als Ebenbild, denn er ist frei.