Tricktrack ist der mittelalterliche Vorgänger des heutigen Backgammon und war im 13. Jahrhundert in ganz Europa weit verbreitet und sehr beliebt. In verschiedenen Regionen hatte das Spiel unterschiedliche Namen: (3)
Bei Tricktrack handelt es sich eigentlich nicht um ein einzelnes Spiel, sondern eher um eine "Spielfamilie" die in mittelalterlichen Überlieferungen oft mit dem lateinischen Begriff "tabulae" (dt. "die Tafeln") bezeichnet wird. (5)
König Alfons der Weise widmet in seinem "Buch der Spiele" ein langes Kapitel, das "Libro de las tablas", 15 verschiedenen Tricktrackvarianten auf einem rechteckigen Brett für zwei Spieler und einer Vierspielervariante auf einem runden Brett. (1) Eine weitere sehr wichtige Schrift des Hochmittelaters ist das Manuskript "ludi ad tabulas cum taxillis". Dort werden die Regeln deutlich ausführlicher als bei Alfons erklärt und es enthält, neben interessanten tatktischen Problemstellungen, zwei Regelvarianten, die wir im Folgenden auch noch aufführen. (10)
Frühe Vorläufer der mittelalerlichen Tricktrackspiele sind das griechische "Fünf-Linien-Spiel", die im römischen Reich gespielten Spiele "12-Linien-Spiel" und "Tabula" (dt. "die Tafel") und das in Persien entstandene "Nard" (dt. "Holz"). (1) (2) (4) (6) (7) Letzteres wird mit interessanten Zahlensymboliken verknüpft. Das Spielfeld wird als "das Jahr , das Leben oder der Kosmos" gedeutet: (1) (2)
Da im Frühmittelalter jegliche Nachweise des Spiels in Europa fehlen, bleibt zu vermuten, dass das Tricktrack über den Orient erst im Hochmittelater wieder seinen Weg nach Europa fand. (4) (5) Die erste Erwähnung eines Tricktrackspiels in Deutschland im Hochmittelalter findet man in einer um 1170 erstellten Inventarliste im Falkensteiner Codex:
"[Auf Burg Hernstein] in Österreich [findet man] [...] drei Tricktrackspiele ('tria wurfzâbel'), drei Schachspiele ('tria scâhzâbel'), Spielsteine aus Elfenbein ('elefantei lapides'), die zum Tricktrack- wie zum Schachspiel gehören. [...] Auf Burg Falkenstein zwei Schachspiele und zwei Tricktrackspiele. [...] Auf der Burg Hartmannsberg ein Schachspiel, ein Tricktrackspiel." (9)
Dies ist auch das erste mal, dass der Begriff "Wurfzabel" verwendet wird. (8)
Meist war Tricktrack sowohl in Europa als auch in der arabischen Welt, vergleichbar mit anderen Würfelspielen, aufgrund des Glücksfaktors, eher negativ besetzt. Alfons nimmt in seinem Buch somit eine Sonderrolle ein, indem er es als guten Mittelweg zwischen Glück und Taktik, Vorherbestimmung und Selbstbestimmtheit des menschlichen Lebens sieht (siehe dazu die Anekdote in der Einführung).
Das Spielbrett ist vom Aufbau ein Rechteck, dass in zwei quadratische Tafeln unterteilt ist. Auf jeder Tafel befinden sich gegenüber zwei Reihen mit je sechs Markierungen, sognannte "Häuser". Meistens sind es lange, spitze Dreiecke. Bei Alfons sind es Mulden in einem erhöhten Rand, wo die runden Spielsteine hineingelegt werden können. Es stehen sich somit zwölf Häuser an den langen Spielrändern gegenüber. In der Mitte des Bretts befindet sich eine Markierung, oft ein rechteckiger, durchgängiger Streifen, der die beiden Tafeln voneinander trennt.
Meistens wurden die Bretter aus Holz hergestellt und unterschiedlich verziert. Es gibt sehr schlichte Beispiele, wo die fürs Spiel notwendigen Markierungen grob in Holz oder Stein geritzt wurden und ganz aufwändig verzierte Bretter mit Intarsien, Bemalungen und teuren Materialien. Manche der Bretter waren sogar klappbar (siehe Fotogalerie am Ende). (5) Ein besonders wertvolles, kurioses und altes Beispiel ist das "Aschaffenburger Spielbrett" von ca. 1300. Es ist ein doppelseitiges klappbare Spielbrett aus Holz, Jaspis, Bergkristall, Silber und bemaltem Ton. Unter den Bergkristallen findet man Reliquien eingearbeitet (siehe Fotogalerie am Ende).
Die Spielbretter, die Alfons beschreibt und die in seinen Abbildungen zu sehen sind, sind eine besondere Form, die wir nur von ihm kennen (siehe Fotogalerie am Ende). Er beschreibt und begründet sie selbst wie folgt:
"Und wir sagen, dass das Brett, auf dem gespielt wird, viereckig sein muss und in der Mitte muss es ein Zeichen haben, durch das vier rechteckige Felder entstehen und in jedem Feld müssen sechs Häuser sein, sodass es insgesamt 24 Häuser gibt. In einigen Ländern macht man die Häuser flach und bemalt und die Spielsteine außerdem viereckig oder rund und ohne eine Möglichkeit, sie aufzunehmen. Deshalb wurde es für besser gehalten, am Spielbrett hölzerne Leisten in halbrunder Form anzubringen, in denen man die Spielsteine platzieren kann, die rund sein sollen." (1)
Verwendet wurden meist 30 flache runde Scheiben in zwei Farben (15 pro Farbe), wie man sie auch heute noch von Mühle, Dame oder Backgammon kennt. Die Spielsteine waren meist aus Knochen, Geweih oder Elfenbein geschnitzt und ggf. eingefärbt. Man unterscheidet zwischen meist sehr aufwändigen, figürlichen Schnitzereien mit Bildthemen wie z.B. Tieren, Fabelwesen und Sternbildern und einfacheren Spielsteinen mit geometrischen Verzierungen wie konzentrischen Kreisen, Kreisbögen und Kreisaugen. (5)
Alfons schreibt in seinem Buch zu den Spielsteinen: "Die Spielsteine [sind] eckig oder rund. [...] Außerdem ist es erforderlich, dass die eine Hälfte der Spielsteine von einer Farbe ist und die andere Hälfte von einer anderen." (1)
Um das Verständnis der Tricktrackregeln zu vereinfachen ist es von Vorteil verschiedene grundlegende Begriffe zu kennen (In Klammern stehen die Begriffe aus Alfons Buch): (1)
Spielmaterial: 15 Steine pro Farbe und drei Würfel.
Spielaufbau: Beide Spieler platzieren ihre Steine wie im Bild gezeigt: Je zwei auf die Zielhäuser eins bis sechs, zwei auf das Haus davor und noch einer auf dem Haus davor.
Spielregeln:
Die Regeln sind bei Alfons leider sehr knapp gehalten und lassen viel Interpretationsspielraum. Sehr wahrscheinlich ist jedoch Folgendes:
Anmerkung: Das Spiel kann auch mit einer geringeren Anzahl an Steinen (mindestens aber 6 pro Farbe) gespielt werden.
Wir halten es für gut möglich, dass es bei dieser Variante bei 13-15 Steinen nicht zwei Spielphasen gibt, sondern das Ausspielen und Ziehen der Figuren gleichzeitig erfolgen darf.
Spielmaterial: Zwölf Steine pro Farbe und zwei Würfel.
Spielaufbau: Beide Spieler platzieren ihre Steine wie im Bild gezeigt außerhalb des Spielbretts.
Spielregeln:
Anmerkung: Die Regeln sind nur sehr rudimentär und können auch anders interpretiert werden. Das Kursive ist unsere Ergänzung, die Gewinnbedingung fehlt in der Beschreibung.
Spielmaterial: Zwölf Steine pro Farbe und drei Würfel.
Spielaufbau: Beide Spieler platzieren ihre Steine als Zweiertürmchen auf den Häusern 1 bis 6 der gegnerischen Farbe.
Spielregeln:
Anmerkungen: Unklar bleibt, ob der Gegner den Würfelwurf nur nutzen darf, wenn keiner der drei Würfel ausgeführt werden kann oder ob auch ein einzelner Würfelwurf auf den Gegner übertragen wird.
Spielmaterial: 15 Steine pro Farbe und drei Würfel.
Spielaufbau: Beide Spieler platzieren ihre Steine wie im Bild gezeigt: 13 Steine auf dem Zielhaus Nummer sechs und zwei auf dem Starthaus Nummer eins.
Spielregeln:
Spielmaterial: 15 Steine pro Farbe und drei Würfel.
Spielaufbau: Es wird ausgewürfelt, wer beginnt. Beide Spieler platzieren ihre Steine in den gleichen sechs Häusern wie im Bild bei den schwarzen Zahlen gezeigt:
Der Startspieler stellt dabei drei Steine auf Haus 1, vier Steine auf Haus 2 und die restlichen acht Steine auf Haus 6. Der andere Spieler stellt jeweils fünf Steine auf die Häuser 3 bis 5.
Spielregeln:
Spielmaterial: 15 Steine pro Farbe und drei Würfel.
Spielaufbau: Beide Spieler platzieren alle 15 Spielsteine im ersten Haus der eigenen Farbe, also genau gegenüberliegend (siehe Bild).
Spielregeln:
Variante in der Regel zum Spiel der Engländer: Man spielt nur mit zwei Würfeln und nimmt immer eine sechs als festes drittes Würfelergebnis an.
Variante zu Emperador: Es wird nur in der rechten Spielhälfte des Bretts (Feld 1) gespielt und nur mit zwei Würfeln. Blockaden sind nicht erlaubt. Diese Spielvariante wurde auch der halbe Kaiser oder das Spiel der Lombarden genannt.
Spielmaterial: vermutlich 15 Steine pro Farbe (die Anzahl wird nicht genannt) und zwei oder drei Würfel.
Spielaufbau: Beide Spieler platzieren ihre Steine wie im Bild gezeigt außerhalb des Spielbretts.
Spielregeln:
Spielmaterial: 15 Steine pro Farbe und drei Würfel.
Spielaufbau: Der Startspieler setzt alle Steine in das 5. Haus, der zweite Spieler in das 6. Haus ("Kopf" genannt) direkt angrenzend.
Spielregeln:
Variante: Das Spiel kann auch mit 2 Würfeln gespielt werden und einer festgelegten Zahl als dauerhaftem drittes Würfelergebnis. Dann wird auch die Startaufstellung verändert: Der Startspieler stellt 14 Steine in das 5. Haus und einen in das 4., der andere Spieler stellt 14 in das 6. Haus und einen in das 6. Haus genau gegenüber.
Spielmaterial: 15 Steine pro Farbe und zwei Würfel.
Spielaufbau: Die Steine werden nach folgender (dem heutigen Backgammon entsprechender) Regel aufgebaut (s. Bild).
Weiß setzt:
Rot setzt die Steine jeweils genau gegenüber.
Spielregeln:
Spielmaterial: 15 Steine pro Farbe und zwei Würfel.
Spielaufbau: Beide Spieler platzieren ihre Steine wie im Bild gezeigt:
Spielregeln:
Anmerkung: Der Kommentar zu Alfons Spielebuch zieht eine Parallele zu einer griechischen Variante namens Plakoto, die eine Alternative zum Schlagen hat. Trifft dort ein Stein auf einen einzelnen der gegnerischen Farbe, stellt man ihn oben drauf und blockiert so den Gegner. Der kann seinen Stein erst wieder bewegen, wenn man den eigenen Stein weitergezogen hat.
Puff ist die Variante, die ganz den oben beschriebenen Grundregeln entspricht. Alfons unterscheidet zwischen dem höfischen und dem gewöhnlichen Puff. Der Begriff Puff stammt von der Bezeichnung für einen Pasch mit zwei oder drei Würfeln.
Spielregeln:
Spielmaterial:
Spielregeln:
Diese Tricktrackvariante wird mit vier Spielern auf einem besonderen Brett gespielt.
Spielmaterial: Ein runder Tricktrackspielplan auf einem quadratischen Brett. 12 Steine pro Farbe in den Farben Weiß, Schwarz, Grün und Rot und drei Würfel.
Spielregeln:
1 - Das Buch der Spiele. Alfons X. "der Weise", übersetzt und kommentiert von Ulrich Schädler und Rivardo Calvo. Lit, Wien 2009.
2 - Glonnegger, Erwin: Das Spiele-Buch, Drei-Magier-Verlag, Uehlfeld 1999.
3 - Fischer, Doris: Spielen wie im Mittelalter, Konrad Thessaloniki Verlag, Stuttgart, 2013. (Webseite der Autorin)
4 - Lackner, Karin: Spielzeug und Spielformen im Mittelalter, Diplomarbeit, Wien, 2012. (Download als PDF)
5 - Antje Kluge-Pinsker: Schach und Trictrac, Zeugnisse mittelalterlicher Spielfreude in salischer Zeit, Jand Thorbecke Verlag, Sigmaringen, 1991.
6 - Hellmich, Robert: Mittelalterliche Brettspiele, Bachelorarbeit, Bamberg. (Download als PDF)
7 - Wikipedia Backgammon
8 - Tabular History of Backgammon
9 -
Wolfgang Jahn, Margot Hamm,
Evamaria Brockhoff (Hg.): Adel in Bayern. Ritter, Grafen, Industriebarone,
Darmstadt 2008, S. 33
10 - Schädler, Ulrich: Das Spiel der Engländer, Backgammonspiele im Ms. Royal 13 A XVIII der British Library. (Download als PDF)